Sport für Menschen mit Behinderung in Hessen
Jeden Tag zeigen Sportler mit Behinderung ihre außergewöhnlichen Talente. Fußball nach Gehör spielen, Tanzen oder Rugby im Rollstuhl - für jeden ist etwas dabei. Jeder, der den Sport einmal hautnah erlebt hat, kann sich ihm kaum entziehen. Er verbindet, schafft Gemeinschaft, und baut Barrieren ab. Er stärkt den Glauben an die eigene Leistungsfähigkeit, das Selbstbewusstsein, schenkt Freude, Energie und Lebensqualität.
Der Hessische Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband e. V. (HBRS) repräsentiert 85.000 Aktive in den Bereichen
- Individualsport
- Breitensport
- Mannschaftssport
- Rehasport
- Leistungssport
in mehr als 600 Vereinen. Gegründet in 1951 als "Arbeitsgemeinschaft Deutscher Versehrtensport - Land Hessen, mit Sitz im hessischen Fulda, ist er der drittgrößte Landesverband im Deutschen Behindertensportverband (DBS). Hinter den Sporttreibenden stehen heute 1.600 anerkannte Sportärzte, rund 3.000 Übungsleiter und 16 Hauptamtliche.
Wie alles begann
Seinen Ursprung hat der Sport für Menschen mit Behinderung nach Ende des 2. Weltkrieges. Männer und Frauen, die schwer verletzt wurden, fanden hier gemeinsam mit Sportlehrern und Ärzten zurück ins Leben, schöpften Kraft und setzten ein Zeichen „des ungebrochenen Lebenswillens, der den Erfolg des ´Trotzdem´ begründete und dem versehrten Menschen seine persönliche Würde in der Achtung durch die Mitwelt wiederschenkte“, fasst es der erste Präsident des heutigen HBRS, Dr. Ernst Axt, zum 50-jährigen Bestehen des Verbandes zusammen.
1951 gründete sich der HBRS, damals unter dem Namen „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Versehrtensport - Land Hessen“ in Darmstadt. Davor gab es bereits örtlich verstreut einzelne Sportgruppen in Frankfurt am Main, Darmstadt, Offenbach und Wiesbaden. Im Dezember desselben Jahres waren mit Alsfeld, Eschwege, Kassel und Wetzlar bereits vier Gruppen hinzugekommen. Danach ging es vor allem um Aufbauarbeit: Ministerien, Verbände, Städte, Gemeinden, Fürsorgestellen, Presse, sonstige Körperschaften und Betriebe galt es zu gewinnen. Unzählige Vorträge und ebenso viele Schriftsätze waren nötig und mussten mit wenigen Ehrenamtlichen gestemmt werden. In Demos von Übungsstunden wurden Unterstützer, Mitglieder und Gleichgesinnte geworben. Gemeinsam mit den örtlichen Turnvereinen wurden Hallen, Geräte, Spielplätze und sonstige Räumlichkeiten gefunden.
Sehr schnell entstand der Wunsch einzelner Gruppen, in den Vergleich mit anderen zu gehen. Neben dem sportlichen Erlebnis und der Bestätigung der eigenen Leistungsfähigkeit, ging es hier vor allem um Gemeinschaft, Austausch und Begegnung. So fanden bereits im Gründungsjahr erste Wettkämpfe statt, 1956 war Hessen erstmalig Gastgeber eines Dreiländertreffens mit Nordbaden und Rheinland-Pfalz.
Die Zahl der Sporttreibenden entwickelte sich rasant: von 250 zur Gründung des HBRS, waren es 1970 bereits 6129 Aktive in 113 Vereinen. 1990 erweiterte sich das sportliche Angebot um den Rehabilitationssport und der Verband wurde in Hessischer Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband e.V. umbenannt. Hier war Hessen Vorreiter andere Länder gingen diesen Schritt erst sehr viel später.
Besondere Persönlichkeiten
Der Sport für Menschen mit Behinderung lebt ganz besonders von herausragenden Persönlichkeiten: Eine der prägenden Persönlichkeiten und „Mann der ersten Stunde“ war Karl-Hermann Müller. Mit 18 Jahren verlor der gebürtige Butzbacher während des Krieges seinen linken Arm bis zum Schultergelenk und damit, wie er selbst sagte, sein Selbstbewusstsein. Danach war der Sport für ihn ein Gemeinschaftserlebnis, „es kommen Leute, die plötzlich wieder lachen können“. 1954 gründet Müller, selbst aktiver Fußballer, mit acht Gleichgesinnten in Fulda den Verein für Sport und Gesundheit und war seitdem die „Verkörperung des Sports für Menschen mit Behinderung“, wie ein Weggefährte 1991 treffend zusammenfasste. Der Sport habe Müller sein „Ich“ wiedergegeben. 1964 wurde Müller Präsident des HBRS, später Vizepräsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS). 1981 wurde er in das Exekutiv-Komitee, den Vorstand der „International-Sports-Organisation for the Disabled" (ISOD), gewählt, schließlich in das Büro der Vereinten Nationen berufen.
Bis zum zu seinem Tod im Jahr 2014 engagierte er sich „unbefangen als Wegbereiter einer Idee“. „Es gibt in Hessen viermal mehr Menschen mit Behinderung als wir Mitglieder haben“, sagte er einmal. „Sie sehen, es gibt viel zu tun.“ Mit aller Kraft setzte er sich weltweit für sein Lebenswerk ein, überzeugte, gewann Unterstützer, arbeitete an der Verbesserung der Rahmenbedingungen, sprach mit Eltern von Kindern mit Behinderung, um sie für den Sport zu gewinnen. Er kämpfte für seine Sache, gegen Widerstände, den Breitensport, mehr Sportarten und etablierte den Sport für Menschen mit Behinderung neben dem Spitzensport. So holte er auch 1981 die 2. Europäischen Sportspiele für Blinde nach Fulda.
Für sein Engagement wurde er mehrfach ausgezeichnet: Müller ist unter anderem Träger zweier Bundesverdienstkreuze, Ehrenmitglied des Weltverbandes auf Lebzeit als erster Sportler überhaupt und seit 2006 Ehrenpräsident des HBRS.
Geschichte
1952 | Gründung des HBRS mit Dr. Ernst Axt als Präsident und Geschäftsführer Rudi Hillinger. Später übernahm Nanni Seipp. |
1952 | Erste Schwimmstunde in Marburg |
1952 | Erstes „Vergleichsschwimmen“, damit erster sportlicher Wettbewerb von Sportlern mit Behinderung in Hessen |
1956 | Staatliche Anerkennung des „Versehrtensportes“ als Heilmaßnahme, mit entscheidendem Einfluss auf die weitere organisatorische Entwicklung des HBRS. |
1970 | Umzug der Geschäftsstelle nach Wiesbaden mit Schatzmeister Manfred Neumann und den Mitarbeitern Ruth Krause und Karl-Hermann Müller, der später das Präsidentenamt über-nahm. |
1973 | Umzug der Geschäftsstelle nach Fulda |
1981 | Das hessische Fulda ist Ausrichter der 2. Europäischen Sportspiele für Blinde |
1990 | Erweiterung des sportlichen Angebots um den Rehabilitationssport und Umbenennung des Verbandes in Hessischer Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband e.V. |
1994 | Vereinbarung zwischen dem HBRS und Verbänden der Krankenkassen in Hessen zur Durchführung und Förderung des Rehabilitationssports. vertreten durch Karl-Hermann Müller, Präsident des HBRS und Frau Prof. Dr. med. Ingeborg Siegfried, Gesellschaft für Präven-tion und Rehabilitation von Herz-Kreis¬lauferkrankungen in Hessen e.V. |
2005 | Gerhard Knapp wird Präsident des HBRS |
2017 | Heinz Wagner wird Präsident des HBRS |